[color=darkred:265cd7dd3c][size=18:265cd7dd3c]Achtung Wartungsarbeiten[/size:265cd7dd3c]
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Irgendwann mußte es ja mal soweit kommen. Ich hätte es wissen müssen. Es geschah schließlich fast überall irgendwann einmal. Aber geschickt hatte ich diesen Tag verdrängt. Bis zu jenem Freitag im September.

Ich hatte es mir just wie jeden Abend seit einem Jahr am PC gemütlich gemacht. Neben mir eine Schale Knabberei, daneben Naschwerk, Herzhaftes für danach und einen Merlot für die spätere Stunde. Wir schrieben 19 Uhr, und wie immer begab ich mich in den chat des „Lass das blöde Schmauchen – Forums“, wo schon Detlef, Hilde und Jochen auf mich warteten. Ein paar Neue kamen immer mal dazu, was uns „Alten“ immer einen gewissen Kick hab und uns jung und jugendlich hielt. Doch an diesem Abend kam alles anders. „Es sind Wartungsarbeiten“ sagte Hilde, und „die dauern bis Sonntag“ schrie sie hinterher. Ich konnte es förmlich sehen, wie Hilde die Tränen die Wangen herunterliefen. Schließlich trafen wir uns hier ja jeden Tag – seit einem Jahr. Ich selbst konnte noch nicht weinen, zu sehr war ich im Schock gefangen. „In 15 Minuten schaltet das Forum ab“ sagte Detlef, der seine sachliche Kühle bewahrte – wie immer. Ich saß starr wie eine Säule, und mir wurde eiskalt.

Ich muß bemerken, dass ich vor etwas über einem Jahr mit dem Rauchen aufgehört hatte und zu diesem Zeitpunkt dieses herrliche Forum entdeckt hatte. Seit dieser Zeit schwor ich auf die Firma „BringdasEisMann“ und sonstige perHausLieferanten. Was sich übrigens herumgesprochen hatte, denn gerade am Vormittag klingelte es an der Tür und ein „Hier ist Ihr freundlicher Bio-Obst-Mann“ krächzte es durch die Türsprechanlage. Er kam leider zu spät, denn eine Woche zuvor hatte ich mich mit 7 Tonnen Äpfeln, 2 Tonnen Kartoffeln, einer Ladung Möhren, sowie 25 Kohlrabis eingedeckt. Grundnahrungsmittel. Die Zahnpasta-Vertreter waren am Tag zuvor da, haben mir 30 Tuben „Blendsienuralle“ dagelassen, und im Grunde war ich recht gut eingedeckt für die nächsten 3 Monate. Und nun das.
Hilde schrie noch etwas von „Hilfe“ in den Äther, und mir schien, als würde ich Jochen leise „Bleib ruhig“ sagen hören, doch auch er zitterte innerlich. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich wusste das. Wir waren sowas wie Freunde geworden im Laufe der Zeit. Wußten um unsere Sorgen, unsere Vorlieben und vor allem wussten wir unser warmes geschütztes Plätzchen am PC zu schätzen, wo uns im Grunde nicht viel passieren konnte. Allmählich stiegen auch mir die Tränen empor und wurden zu Rinnsaalen, und dann war es soweit: „Wegen Wartungsarbeiten geschlossen“ stand da, wo eben noch Hilde, Detlef und Jochen waren. Allein. Ich war allein.

Was sollte ich nun tun? Allein Allein Allein schall es durch Mark und Bein. Ich lief durch meine Wohnung, hin und her, innerlich voller Panik. Ob ich jemanden anrufen sollte?
Nun gut. Ich muß an dieser Stelle wohl erwähnen, dass ich als ich das wunderbare Forum kennenlernte, sämtliche Kontakte abgebrochen hatte um mich herum. Das war schlichtweg praktischer und bedarf deshalb keiner weiteren Erklärung.
Auch die Nachbarn waren sich nicht mehr wirklich sicher, ob ich noch hier lebe – so vernahm ich letztlich in einem Gespräch vor meinem Fenster. „Aber das Licht hat sie immer an, also muß sie schon noch da sein. Sonst würden ja irgendwann die Glühbirnen erlöschen.“. Wohl dem, der solche Nachbarn hat ! Als wenn die wüssten, wie oft man in der Lebensspanne einer Glühbirne das Zeitliche segnen kann. Verloren wäre ich – restlos. Aber egal. Ich fand die Idee, jemanden anzurufen im Grunde nicht schlecht. Werner. Genau. Ich entschied mich, Werner anzurufen. Werner konnte sich auch noch an mich erinnern. Ob ich mitkommen wolle auf ein Konzert, sagte Werner. „Ähäm, ja, mach ich“ entgegnete ich; was sollte ich auch allein zuhause anstellen. „Hast Du Dein Auto noch?“ fragte er daraufhin. Wohingegen ich mit der Wahrheit rausrücken musste. „Werner, ich weiß es nicht, ich muß nachschauen. Ich ruf Dich zurück.“ Ich entschied mich dazu, die Wohnung zu verlassen, um nach meinem Auto zu schauen. Doch ein Blick in den Spiegel ließ mich zurückschrecken. Meine Haare waren in dem Jahr gewachsen, als gelte es alle Rekorde zu brechen, und im Jogginganzug sah ich auch nicht wirklich vortrefflich aus. Nun gut, ich entschied ich mich für eine Hochsteckfrisur, schwang mich in eine der Hosen von vor einem Jahr, die zum Glück noch passten und schaute vorsichtig aus der Haustür, ob da jemand ist......; mein Auto musste, wenn alles gut war, um die Ecke stehen. Ja, und da stand es auch. „Werner“, so rief ich ihn zurück„ ich werde nachkommen, es dauert etwas länger“. Mit einem Besen für die Spinnweben und einem feuchten Tuch für das Moos machte ich mich dran, mein Auto vom Gröbsten zu befreien. Sauerei das, sagte ich mir so. Wie kann man – wie kann ich nur mein Auto so gehen lassen.
Und oh was war das? Da, wo vor einem Jahr noch grüne herrliche Wiese war, standen nun 3 Häuser. Man kriegt ja nix mehr mit heutzutage grummelte ich vor mich hin.............................

Am nächsten Morgen fühlte ich mich irgendwie gerädet, meine Ohren pfiffen einen Oberton-Tinnitus, und meine Geldbörse war um knapp 30 Euro leichter. Mal den PC anmachen, sagte ich mir, vielleicht sind die Wartungen ja schon abgeschlossen – ich fragte mich jedenfalls schon brennend, wie es Hilde, Jochen und Detlef so geht.
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