Ich habs getan. Ich hab es tatsächlich versucht. War ja klar, ich bin ja neuerdings für absolut jeden Irrsinn zu haben

Eigentlich liest sich Gabis Rezept ja ganz einfach: Bissel Mehl, Hefe, Wasser Salz und Honig zusammenkippen, kurz kneten, inne Form damit, backen, fertig. Essen und mit der Schubkarre vom Essenstisch wechgekarrt werden.

Doch bereits bei der Zutatenbeschaffung tauchen erste Probleme auf. Da wäre zum Beispiel die Hefe. Weder meine Frau noch ich haben in den letzten, grob geschätzten 25 Jahren Hefe benötigt. Ich habe keinen Schimmer, wo man sowas bekommt, also stürze ich mich todesmutig in das Sortiment unseres Einzelhändlers des geringsten Abzockens.

Hmm.. Frischhefe ? Selbst die wandelnden Bibliotheken im Laden sind überfragt. Vielleicht sollte ich mal einen Bäcker fragen ? Klar, kann man machen - aber der empfiehlt doch eher, ein Brot aus seinem Geschäft zu kaufen, anstatt sich des Mysteriums seines Berufsstandes auch nur einen Schritt zu nähern oder schmeißt mich gleich ausm Laden... Beim Durchstreifen der Regale bleibt mein Auge plötzlich an "Trockenhefe, reicht für 500g" hängen... Sagte Gabi nicht was von Trockenhefe ? Bevor wir gar nix nehmen, nehmen wir erstmal das.

Das nächste Problem ist der Honig - ich brauche nur einen einzigen Eßlöffel voll davon, was soll ich dann mit einem halben Kilo ? :shock: Die mikroskopisch kleinen Gläser kosten das siebzehnfache des großen Glases (in Mengenrelation gesehen), also nehme ich doch lieber das Pfund Waldhonig - unsicher, ob dieser Honig geeignet ist, aber seine Konsistenz verspricht, auf einen Löffel gegossen und dann vom Löffel in eine Schüssel überführt werden zu können.

Das Dinkelmehl aufzuspüren war dann die leichtere Übung, denn Mehl brauchen wir öfters - also wird diese Zutat wohl auch dort aufzufinden sein.
Ganz anders das Balsamico, von dessen Existenz ich beim Studium des Rezeptes erstmalig Kenntnis erlangte. Nun, da Gabi was von Essig schreibt, versuche ich es mal dort... Richtig gelegen, ich nehme irgendeine, nicht allzu hochpreisige Flasche. Alles andere dürften wir wohl noch haben, also noch n bissel Klingelkram eingetütet, bezahlt, raus. Keine Rauchen, ein Glück.

Zu Hause angekommen, mache ich mich direkt ans Werk. 450ml lauwarmes Wasser. Okay, das krieg ich hin, hab ja jahrelange Praxis im Wasserhahn aufdrehen. Wasserhahn auf, der Durchlauferhitzer springt mit einem kaum wahrnehmbaren Klack an und ich drehe am Einhelbelmischer, bis mir das Wasser lauwarm erscheint. Natürlich zuviel, kippe die Hälfte weg und betrachte mißtrauisch die Skala am Meßbecher - spiele eine Sekunde mit dem Gedanken, das ganze auf der Waage auszutarieren (1L Wasser = 1kg, ergo 450ml = 450g), weiß aber das exakte Gewicht des Meßbechers nicht und verwerfe den Gedanken. So genau scheißt kein Huhn, sagt mein Bruder immer.

Die Trockenhefe reingekippt und umgerührt (steht so auf der Packung), einen Eßlöffel des Honigs mit Engelsgeduld in die Schüssel kriechen lassen, zwei EL von diesem Balsa-Zeugs dazu... Zwei Teelöffel Salz ? Irgendwo taucht im Gedächtnis die Formel "2 TL = 1EL" auf und ich greife beherzt zum Salz. Sekunden später rieselt ein EL Salz in die Schüssel.

Da steh ich nun und rühre fleißig. Irgendwann kommt der Gedanke auf: Muß das nicht irgendwie ne Art Teig werden ? Überhaupt sieht die Pfütze da in der Schüssel überhaupt nicht aus, als könne daraus ein Vollpfünder-Brot werden. Ich rühre weiter und analysiere die Situtation, um dem Fehler auf die Spur zu kommen. Mehrfach studiere ich die Zutatenliste und hake einen Punkt nach dem anderen ab, während ich noch immer fleißig rühre, das ganze aber kein Teig wird.

Dann trifft es mich wie der Blitz: Mehl !!

Gut, das du Gabi nicht angerufen hast, sonst wär's das gewesen mit dem Blamieren und dem Knochenmark... Das Mehl also vorsichtig eingekippt, der Knethaken rührt fleißig. Tatsächlich sieht das aus wie ein Teig, kenne das ja von den Backkünsten meiner Frau. Cool, ich kann das ja doch, wa ? Ein leises Grinsen zieht über mein Gesicht. Ich kippe mehr Mehl dazu, der Knethaken klingt angestrengt, eine Stufe höher. Kurz geknetet, mehr Mehl. Der Knethaken, auf stärkster Stufe mit äußerster Leistung sich durch den Teig wühlend, beginnt langsam warm zu werden. Ich gönne ihm eine Pause und kippe den Rest Mehl in die Schüssel - muß der Knethaken nur noch einmal alles geben.
Dabei fällt mir auf, das die Schüssel irgendwie zu klein wirkt für die Masse, die darin ist. Ein furchtbarer Gedanke durchzuckt mich: Ist das etwa ein Kilo Mehl, das du da gekauft hast ? Hektische Flecken bilden sich auf meinem Gesicht, in Mikrosekunden wird die Liste der Öffnungszeiten durchgegangen, weil man das alles neu besorgen muß, einige Millisekunden später rufe ich den verfügbaren Geldbetrag ab - dann fällt mein Blick auf die Mehltüte und die Füllmenge.

[i:70b5e21625]1000 Gramm[/i:70b5e21625]. Ein Kilo. Na klasse. Ich sag ja, ich bin zu blöd.

Also das überschüssige Mehl wieder herausgekippt in eine andere Schüssel und außer beten, das das jetzt einigermaßen hinhaut, bleibt mir nix anderes übrig. Knethaken angeworfen, noch einmal alles durchgeknetet und fertig.

Eine gefettete Kuchenform, hm ? Gesehen hab ich sowas schon mal... Ich scanne die Schränke in dem Mysterium "Küche"... DA ! Gefunden. Was das einfetten angeht, erinnerte ich mich an eine Backsession mit meiner Frau, in welcher sie mit einer Art Pinsel Butter in diese Form pinselte - auf meine Frage, welchen Sinn das wohl haben könnte, wurde ich komplett über die Vorzüge von Butter als Klebvermeider für Kuchenformen aufgeklärt. Völlig überzeugt, dieses Wissen niemals wieder benötigen zu müssen, habe ich es Sekunden später bereits vergessen - aber Kleben verhindern ist hängen geblieben.Also frisch und hochmotiviert, weil alle Klippen einigermaßen umschifft, ans Werk, den Pinsel gesucht, die Kuchenform großzügig eingepinselt, den Teig rein, ab in den Ofen damit.

Und was bedeuten die Symbole da alles ? Da sieht man Propeller, Propeller mit Strichen, Propeller mit einem Strich, Striche ohne Propeller und anderes wahrhaft kryptisch anmutendes. Bei Gott, chinesisch ist leichter zu lesen und zu verstehen, als das... Ich besinne mich auf die dort gewonnenen Erkenntnisse: ein Propeller könnte vielleicht dazu dienen, Luft umzuwälzen - und mir wird klar, das ich in diesem Augenblick das Prinzip eines Umluftherdes ergründet habe. Die Striche könnten dann wohl Ober- und Unterhitze sein. Ich wähle also den Propeller mit Strichen, mehr als Asche kanns ja nicht werden. Bei der Temperatur halte ich es wieder mit meinem Bruder, denn 170° gibts an dem Herd nicht, ich nehm den Punkt zwischen 150 und 200, was wohl 175 entsprechen wird. Wie schon erwähnt, mehr als Asche...

Timer am Handy auf 50 Minuten und ins Wohnzimmer, erstmal Zeitung lesen und nach den Streß nen Becher Kaffee hinunterstürzen. Während des Zeitunglesens äuge ich immer wieder besorgt in Richtung Küche, sekündlich damit rechnend, plötzlich dicke, schwere, übelriechende und vor allem pechschwarze Rauchschwaden aus selbiger hervorquellen zu sehen. Doch nichts dergleichen geschieht. Auch nach 30 Minuten nicht.

Ein mißtrauischer Kontrollblick durch das Glas - ich erwarte eigentlich einen rotglühenden Klumpen Kohle zu sehen, doch weit gefehlt ! Das sieht aus wie ein Brot, ey ! Und riechen tut das ganze auch noch sehr angenehm ! Ist zwar etwas seltsam aufgequollen, aber meine Güte, welcher Meister ist schon vom Himmel und so... Überlebt hätte er das jedenfalls nicht.

Das Handy rappelt, die Zeit ist um. Flugs die Ofentür geöffnet und ein fantastischer Geruch schlägt mir entgegen ! Mit dicken Handschuhen bewaffnet greife ich nach der Kuchenform - und wie bekomme ich das Teil da raus ? Ähm... Einmal kurz die Forum geschüttelt zeigt mir, das die Butter prima funktioniert hat und das Brot lose in der Form liegt - also eine schwere Keramik-Kuchenplatte hervorgekramt und ausgekippt.

Nein, beim ersten Aufschlag des Brotes ist die Form nicht gesprungen. Vorsichtiges Klopfen zeigt mir, das es eine schöne krosse Schale bekommen hat. kräftigeres drücken aber zeugt von einer weichen, inneren Konsistenz. Also nix mit Brot, mit dem man beim Juwelier auch tief in der Nacht einkaufen gehen kann. Dann kann es ja nur noch sein, das es innen noch Matsch ist.

Ich entschließe mich, das Abkühlen damit zu überbrücken, kurz meine Erfolge beim Brotbacken hier zu vermelden. Doch vor dem Abschicken des Posts platze ich vor Neugier und ich renne in die Küche, mit einem gewaltigen Brotmesser bewaffnet, wild entschlossen, mein Werk brutal und völlig mitleidslos in zwei Hälften zu teilen.

Das Messer durchbricht die wirklich schön kross geratene Schale und schneidet sich behende durch den Laib. Fühlt sich an wie Brot, schneidet sich wie Brot und ich erwarte augenblicklich eine braune, halbflüssige und kochendheiße Masse aus dem Brot hervorquellen zu sehen. Doch ein Blick auf das Innere zeigt: IST BROT. Und zur Hölle, es riecht verdammt gut, Gabi !

Es ist noch zu warm zum Essen, aber rein vom Endergebnis muß ich vermelden: Operation gelungen, Patient ohne schwere Verletzungen oder Blamagen erstmal davongekommen.

Erste Verköstigungsversuche endeten mit der Vernichtung der ersten Hälfte des Brotes binnen einer Viertelstunde :shock:

Meine Frau ist total überrascht und beeindruckt ob meiner fantastischen Brotbackfertigkeiten :D:D:D

Melde gehorsamst: Schmeckt hypergenial gut, werde dies auch im Rezepte-Thread nochmals schriftlich festhalten.