Tag 2, halb neun

Immerhin stelle ich fest, dass ich mir dem Reduktionsplan schon mehr Kippen gespart habe als mit jedem der brutalen Nulltoleranztage. Diese Versuche, meistens auch im Urlaub, scheiterten immer auf so klägliche Art und Weise, dass ich auf Fragen von Freunden und Kollegen sagte, dass ich zwar schon aufhören wolle, aber das sicher nicht schaffe, und eben zum Rauchen VERDAMMT sei. Ein dummer Spruch, und dass ich das schon mal festgestellt habe, ist ein Erfolg.
Wenn ich Eure Berichte lese, wo Ihr hart bleibt, gegen das Verlangen kämpft und damit Erfolg habt, so kann ich nur den Hut ziehen vor der Leistung. Die wahre Bewährungsprobe kommt für mich nächste Woche, wenn dann die Rauchpausen so lang werden, dass der Spiegel fast auf Null absackt. Gottseidank hab ich dann immer noch Ferien, meine Freundin auch, das hilft enorm.
Übernächste Woche dann werde ich fünf Tage alleine zu Hause sein, weil C. auswärts einen Kurs besucht und im Hotel schlafen muss. Da wird sich zeigen, wie stark ich sein kann, denn ich habe noch ein zweites (aber nicht so gravierendes) Problem: ich muss eine Seminararbeit abliefern, schon am 20. November, und ab 22. Oktober laufen die Semesterveranstaltungen ab, die mich zeitlich ausfüllen werden. Die Woche ab dem 15. muss ich also eh im Institut verbringen, zwischen Laptop und einem Berg von Büchern, nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, ich muss also zwei mühsame Dinge, Rauchstopp und Bibiliothekskoller, gleichzeitig bewältigen, wenn das nur gut geht!

Freundin M (rein platonische Beziehung, kenn ich seit 20 Jahren), starke Raucherin, hat heute 2 mal angerufen, und ich hab nicht abgehoben. Ein drittes Mal war ich nicht daheim, da hat sie meiner Partnerin gesagt, es sei nicht so wichtig usw. Ich habe M nichts von meinem Rauchstoppplan erzählt, nur, dass ich diese Woche keine Zeit hätte, und erst am Sonntag "alles" erklären wolle. Asoziale Tendenzen eines Abhängigen? - Wohl kaum, denn M wird volles Verständnis haben: ich könnte jetzt wirklich nicht ihr gegenübersitzen und zuschauen, wie sie in 2 Stunden eine halbe Schachtel reinzieht...Deswegen hab ich nicht zurückgerufen.

Ansonsten sind aus meinem Freundeskreis just im Jahr 06 mehrere in dem NMR-Kreis eingetreten, das könnte mir noch zupass kommen. Im Moment sehe ich diese Leute aber selten, egal, weil es eben echte Freunde sind, die man schon ewig kennt und nicht jeden Tag sehen muss.
Die Leute, die ich im Alltag sehe, in Bars, an der Uni, beim Fussball, diese hab ich auch gemieden seit dem Tag der deutschen Einheit, wo ich von 40 auf 8 Kippen gestellt habe... Morgen sind es noch 5... Meine Laune immer noch schwer ok, viel besser als die Tage vor dem 3.10. Aber wie wird das bei 2, bei bloss einer Zigi am Tag? Fürs erste bleib ich dran, und wenn ich das Reissen kriege, so häng ich mich sofort notfallmässig hier ins Forum...

Gute Nacht, um 5 Uhr wartet der nächste Sargnagel...

Tag 3, 19 Uhr

Kleine Bewährungsprobe steht heute abend an: Zum ersten Mal im Ausgang ohne Zigaretten. Mein Plan sieht zwischen acht und eins keine Kippen vor, und ich habe zugesagt, an ein Konzert zu gehen. Zuerst habe heute morgen, als die Anfrage kam, gesmst, dass ich wegen des RAuchstopps nicht an ein Rockkonzert kommen könne - ist ja fast der Inbegriff des Qualmens, dann hab ich es mir überlegt: irgendwann will ich lernen, auch dorthin zu gehen, wo viel geraucht wird, und so hab ich noch ein sms geschrieben und gehe also heute abend ans Blackmail-Konzert. Das düfte dann auch das erste Bier ohne Nikotin werden, aber ich glaube nicht an einen Rückfall. Fühle mich verpflichtet, mindestens so weit zu kommen, dass ich mal einen ganzen Tag keine rauche, alles andere wäre ja lächerlich.

Heute hatte ich einen guten Tag, schwimmen, ein bisschen laufen, ein bisschen schlafen, keine Agressionen oder sonstige Lauen, wie sie meine Freundin erwartet hatte. Sie lobt mich oft, weil sie denselben Plan als kleines Mächen mit ihrem Vater durchgezogen hatte, und der damals offenbar fast die Wände hochging. Der Plan von damals hat übrigens funktioneiert: bis heute raucht C's Vater nicht.

Exraucher bin ich ja noch nicht, aber den Plan habe ich halten können, immerhin.
Auch das Konzert gestern abend konnte ich ohne zu Rauchen geniessen, und das Leiden hält sich bisher in engen Grenzen, beschränkt sich darauf, dass ich befürchte, die Sehnsucht und ähnliches könnten dann kommen, wenn ich wirklich nicht mehr paffe.
Wenn es aber so gut weiterläuft wie bisher, dann steht einem Rauchstopp bald einmal nichts mehr im Weg; ich schätze, dass ich in einer Woche so weit bin und dann die Kippen hinter mir lassen kann. Worst case wäre ein Rückfall mit Aufgabe des Plans, um den zu vermeiden nehme ich auch in Kauf, wenn ich mich noch länger an die immer seltener werdenden (ist das nicht eine tolle Ausdrucksweise?) Zigis klammere - Selbstbetrug hin oder her, Hauptsache, ich falle nicht wieder in die alte 40-fache Raucherei zurück.