Heute merkte ich dass ich Angst habe. Angst davor, wieder rauchen zu wollen. Nicht falsch verstehen - ich hatte noch gar nicht richtig in mich hineingehört ob ich mir wieder eine anstecken will - ich hatte Angst davor, überhaupt in mich reinzuhören, weil ich dann ja zu dem Ergebnis kommen könnte, dass ich wieder rauchen will. Sehr merkwürdig. Ich habe mich dann getraut. Ich habe versucht in mich reinzuhören. Nichts. Hm, noch mal etwas mutiger - möchte ich jetzt eine Zigarette rauchen? Ich stelle mir kurz vor, wie das sein würde - bekomme Angst - was ist wenn mir der Gedanke gefällt? Ich stelle mir vor, dass ich eine Zigarette in der Hand habe und daran ziehe. Und? Der Rauch, der ganze Qualm, der in meine Lunge eindringen würde. Das ganze Gift. Meine arme Lunge. Nur dafür dass ich den Nikotinkick bekomme? Nein, ich verspüre kein Verlangen. Mein Verstand setzt stattdessen ein. Mein Verstand, der so lange nicht da war als ich munter eine nach der anderen gequarzt habe. Mein Verstand, der keine Chance hatte, gegen diese Sucht anzukommen. Jetzt meldet er sich zurück. Ich denke an das Blei, das Arsen, die radioaktiven Stoffe. Meine arme Lunge. Verrückt, dass man plötzlich die Warnhinweise auf den Schachteln zitiert. Es ist eben doch eine Frage der Einstellung.

Auf dem Heimweg im Auto lasse ich das Radio aus. Ich denke über meine Zigarettengefühle nach. Warum denke ich immer noch so viel an die Kippen, obwohl - Gott sei's gedankt - der Schmacht, der Gieper, das Nikotinmonster sich noch nicht gemeldet haben. Ist das schlimm? Ich beschließe dass es nicht schlimm ist. Zumindstens nicht solange man die Gedanken nicht einfach wegschiebt. Damit würde ich sie nur verdrängen. Also denke ich über meine Rauchkarriere nach. Warum ich angefangen habe damals mit 17. Ich erinnere wie ich vor dem Spiegel saß und mir beim Rauchen zugeschaut habe. Ich fand mich wahnsinnig cool. Und jetzt, ein Vierteljahrhundert später, stelle ich fest, dass das immer noch ein Grund ist - nein: war - dass ich geraucht habe. Hallo, aufwachen!! Kein Mensch findet Raucher mehr cool. Meistens raucht man eh unter Ausschluss der Öffentlichkeit, alleine auf dem Balkon oder mit der Kollegin draußen vor der Tür. Keine Zuschauer mehr da. Und wenn man Zuschauer hat, erntet man doch eh nur mitleidige Blicke. Nein, die Zeiten haben sich definitiv geändert.

Es ist einfach eine Hammererfahrung, so ein Entzug. Man denkt das erste Mal überhaupt bewusst darüber nach, was einen zum Rauchen gebracht hat. Cool sein! Unglaublich - wie bescheuert! Damals ok, aber als erwachsener Mensch?!?

Ich habe vor allem dann geraucht, wenn ich eine Pause machen wollte. Zur Entspannung sozusagen. Und jetzt? Keine Entspannung mehr? Nein, ich mache ganz bewusst die gleichen Pausen wie vorher. Setze mich raus, mache mir einen Kaffee, gehe mit den Kollegen schnacken, was auch immer. Und atme tief durch und versuche mich zu entspannen.

Es geht tatsächlich gut. Weil ich - wie einige vielleicht schon erraten haben - den Entzug a la Carr mache. Jedenfalls fast. Rauche seit Sonntag nicht mehr, das Buch habe ich mir erst Montag geholt und habe es an vier Abenden durchgelesen. Während ich schon nicht mehr geraucht habe. Sonntag und Montag war ich gereizt. Alle Symptome des Entzugs mit Willenskraft. Ab Dienstag dann die Erleuchtung. Seitdem kein Gieper mehr gehabt. Aber die Angst, dass der sich wieder melden könnte, ist noch da. Ob er wieder kommt? Ich werde berichten.

Gruß von docsi