hallo tagebuch und liebe mitleser,

heute ist mein erster tag meines zweiten versuches, ein nichtraucher zu werden.

ich bin w, 46 jahre alt und rauche seit meinem 13. lebensjahr. habe bis heute mittag täglich mindestens eine schachtel geraucht. ich bin extram nikotinabhängig.

ich habe heute mittag um 12.30 uhr meine letzte zigarette geraucht und muss jetzt anfangen, das chaos im kopf zu sortieren.

warum höre ich auf und warum gerade heute?
ich höre auf, weil mein arbeitgeber beschlossen hat, dass am montag, 01.09., in unserem großraumbüro nicht mehr geraucht werden darf. vor vier wochen wurde das angekündigt, und seit vier woche schiebe ich panik.
bei der arbeit nicht mehr rauchen! zum rauchen auf den balkon! für jede zigarette 6 min. unbezahlte pause aufschreiben!
nee, das geht gar nicht. ich habe keine lust, spätestens jede stunde auf entzug zu sein. wie soll ich da meine arbeit machen?

also habe ich beschlossen, lieber ein paar wochen durch die hölle des entzugs zu gehen statt die nächsten jahre ständig auf die nächste pause zu warten, wenn ich wieder rauchen darf.

klingt doch ganz vernünftig, oder? tja, mit der vernunft ist das so eine sache...ist sie laut genug, um den in wirklichkeit fehlenden willen zu übertönen? mein mann und meine beste freundin sind skeptisch. ich nicht. ich weiß, dass ich es diesmal schaffen muss!

mein letzter versuch scheiterte vor zwei jahren nach 24 tagen, weil ich in eine wirklich schlimme depression abgerutscht war. ich leide ohnehin schon seit jahren an immer wieder aufkommenden depressionen.
das macht mir angst!

ich hatte, kurz nachdem die ankündigung vom arbeitgeber kam, ein langes gespräch mit meinem arzt. er reagiert fast panisch auf meine ankündigung, jetzt ein nichtraucher zu werden. er meinte, das risiko, erneut depressiv zu werden, sei bei mir fast hundertprozentig. er gab mir dann ein anti-depressivum, das ich zwei wochen vor dem geplanten termin nehmen sollte.
also schlucke ich seit zwei wochen jeden abend die netten pillen.
ich hoffe, dass die welt diesmal nicht wieder jede freude für mich verliert...

heute mittag war es dann soweit: die letzte zigarette an meinem schreibtisch geraucht. ganz langsam und ganz bewußt. ich nahm abschied von einer sehr treuen freundin...
die angebrochene schachtel habe ich meinem kollegen geschenkt, dann bin ich nach hause gefahren. autofahren ohne kippe - muss ich mich wohl erst dran gewöhnen.

nach zwei stunden hier zu hause ging dann das kopfchaos los: ich will jetzt eine rauchen! nein, sind doch keine da. ich will, ich will, ich will. da draußen im garten, da hast du doch immer geraucht, jetzt geh da schon hin, na looooossss!!!

stattdessen habe ich mir meine sportschuhe angezogen und bin laufen gegangen. hey, ich bin ein held! sportlicher nichtraucher!
pah, da hat mir mein körper schön einen strich durch die rechnung gemacht. ich bin auch als raucher schon regelmäßig gejoggt, so ungewohnt war das also heute für mich nicht. trotzdem - nach einer viertelstunde schweißausbruch, schwindel, kribbelnde hände und kotzübel. den weg nach hause bin ich ganz langsam gegangen, dann erstmal hingelegt und gewartet, bis sich alles wieder beruhigt hatte.
ob das nun eine nebenwirkung der tabletten oder eine reaktion auf das fehlende nikotin ist, ist mir eigentlich egal. wenn ich das nächste mal laufe, nehme ich auf jeden fall lieber meinen mann mit. diese kreislaufschwäche mitten im menschenleeren wald war nun wirklich zum fürchten.

ach ja, mein mann. der beste ehemann von allen! nichtraucher und mein freund in allen lebenslagen. er ist vorhin in die apotheke gefahren und hat mir nikotin-kaugummis geholt, weil ich kurz vor einer heulattacke stand.
pflaster kommen für mich nicht in frage, die hatte ich beim letzten versuch genommen. meine haut hat mit fiesem ausschlag auf die dinger reagiert. mein doc hat mit auch zu den kaugummis geraten. ich wollte ja eigentlich ohne auskommen, aber warum den helden spielen, wenn man ich auch helfen lassen kann?

ich kaue jetzt auf diesem ding rum, und es geht mir tatsächlich besser.

zu meinem titel "ich habe angst": ich habe diesen titel gewählt, weil ich wirklich ohne ende angst habe vor den, was die nächste zeit auf mich zukommt.
aber...es ist keine schande, angst zu haben. es ist nur eine schande, davor wegzulaufen.

ich habe vorhin ausgiebig geduscht und rieche nicht mehr nach rauch. in unserem haus habe ich nie geraucht, ich bin immer in den garten gegangen. das einzige, was noch nach rauch riecht, ist mein auto. wenn ich morgen die kraft dazu habe, werde ich es innen gründlich reinigen.

heute ist schon fast geschafft. es war fies, aber auszuhalten.

gut riechende grüße,
menki